Presse

 

Auszug aus dem Artikel: " Überfordert und überfördert" von

Stephanie Wesely;  Sächsiche Zeitung - "Leben & Stil"

vom Montag, 18.April 2016 

 

 

Jeder dritte Schüler fühlt sich schwer gestresst. Depressionen nehmen zu.

 

Mit einer Atemmeditation beginnt jede Yogastunde bei Antje Schorisch. Nach zwei, drei gemeinsamen Übungen findet jedes Mädchen seinen eigenen Rhythmus. Bis zu zehn 13 bis 18-jährige kommen hier wöchentlich zusammen. Sie wollen den Schulstress ausblenden, sich entspannen, Kraft schöpfen, ihren Körper und sich selbst annehmen, aber auch Ängste loswerden. So fasst die Yogalehrerin die Motive der Mädchen zusammen. Sie hat vorher in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden gearbeitet und festgestellt, dass psychische Probleme, Depressionen und Selbstzweifel bei Jugendlichen stark zunehmen. "Gerade in unserer schnelllebigen Zeit, die durchaus ihre positiven Seiten hat, ist es wichtig, eine Möglichkeit des Umgangs damit zu finden" sagt sie. Mit ihrem Kurs will sie präventiv tätig werden, damit der Druck nicht überhand nimmt.

Und das ist auch bitter nötig. Professor Holger Ziegler, Erziehungswissenschaftler der Uni Bielefeld, hat eine Studie zum Thema "Stress im Jugendzimmer" vorgestellt - mit verheerenden Ergebnissen. Seinen Untersuchungen zufolge fühlt sich etwa jeder dritte Schüler schwer gestresst. 

"Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit behandlungsbedürftigen Depressionen versechsfacht. Etwa jedes zehnte Kind ist in Behandlung. Weitere zehn Prozent sind psychisch "auffällig", sagt Professor Martin Holtmann, Kinder und Jugendpsychiater aus Bochum. " Wir Psychiater sind sind die Seismografen der Gesellschaft. Wir bekommen die Probleme durch unsere Patienten gespiegelt." Die Hauptsymptome seiner jungen Patienten seien pessimistische Vorstellungen von der Zukunft, Gedanken und Handlungen mit Bezug auf Suizid und Selbstverletzung, Schlafstörungen und Kraftlosigkeit.

Für Professor Veit Rössner, Direktor der Kinder-und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden, liegen die Ursachen der Zunahme auch in der Leistungsgesellschaft und in der Globalisierung. Sie machten unsere Kinder tatsächlich verrückt.

Das belegt Professor Zieglers Studie eindeutig. Von den befragten, stark stressbelasteten Jugendlichen gab ein Viertel an, nach der Schule kaum Zeit für Erholung zu haben. Ihre Freizeit sei völlig "verplant".

Die Hälfte lernt viel zu Hause, auch am Wochenende, um alles zu schaffen. Jeder fünfte geht zum Nachhilfeunterricht, manche mehrmals pro Woche. Etwa 90 Prozent der Jugendlichen lernen, um ihre Eltern nicht zu enttäuschen, obwohl 40 Prozent meinen, dass ihre Eltern zu viel von ihnen verlangen.

Das geht nicht ohne gesundheitliche Folgen. Auch die hat Holger Ziegler erfragt. Mehr als jeder vierte Jugendliche konnte an mehreren Tagen der letzten Woche nicht schlafen, jeder fünfte hatte Kopfschmerzen, 47 Prozent fühlten sich müde und schlapp, 40 Prozent waren unglücklich, 7 Prozent fühlten sich sogar als Versager.

 

Chillen ist wichtig

Eltern sollten auch ihre Einstellung zur Freizeitgestaltung ihrer Kinder überdenken. Nichtstun, abhängen, chillen sind für die meisten Erwachsenen nutzlos vertane Zeit. Doch diese Zeiten sind wichtig, um zur Ruhe zu kommen.

Inwieweit Yoga dabei helfen kann, die psychische Gesundheit der Jugendlichen zu verbessern, untersucht die Klinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie jetzt in einer Studie.

 

Für die Mädchen um Yogalehrerin Antje Schorisch ist es auch ohne Studie klar, dass Yoga gut tut. Lächelnd, aufrecht und leichten Schrittes gehen sie in die Umkleidekabine. Der Stress ist vergessen - vorerst.